28. Januar 2013 um 18 Uhr
Botschaft Tschechische Republik, Wilhelmstr. 44, 10117 Berlin

Unter der Überschrift „Zerstörte Vielfalt" hat der Berliner Senat in diesem Jahr eine Vielzahl von Veranstaltungen und Ausstellungen der Erinnerung und des Mahnens zusammengefasst. Sie sollen der unzähligen Opfer des Nazi-Regimes gedenken, das vor genau 80 Jahren errichtet worden war und in den Jahren darauf systematisch die vielfältige Landschaft unterschiedlicher, sich gegenseitig bereichernder Kulturen gewaltsam zunichte gemacht hat. Die Narben sind bis heute sichtbar, nicht nur in Berlin, sondern auch in Prag.

In diesem Kontext ist es nur zu gut und wichtig, dass das Festival der Tschechischen Kunst und Kultur auch in diesem Jahr – so wie in den Jahren zuvor - wieder eine Veranstaltung zum Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz anbietet. Denn Rassismus und Nationalismus können gar nicht oft genug angeprangert werden. Gerade in der heutigen Zeit, in der rechtsradikale Kräfte immer offener versuchen, die unter der Hitler-Diktatur verübten Verbrechen zu verharmlosen und ihre menschenfeindliche Ideologie zu verbreiten, dürfen die Opfer der NS-Vernichtungslager nicht in Vergessenheit geraten.

Wir wollen uns heute an den Prager Künstler Karel Švenk erinnern. Švenk war ab Mitte der 30-er Jahre in der Tschechoslowakei und auch noch nach der deutschen Besetzung in den ersten Jahren des so genannten Protektorats ein gefeierter Komiker. Er gehörte dem politisch linken Spektrum an und war als Schauspieler, Autor, Regisseur und Komponist sowohl in Prag als auch in der tschechischen Provinz tätig.

Karel Svenk 1942 KZ Theresienstadt

Am 24. November 1941 wurde er verhaftet und mit dem ersten Transport nach Theresienstadt deportiert. In dem Lager schuf er schon bald zusammen mit dem Komponisten Rafael Schächter, der auch in Theresienstadt interniert war, Kabarettrevuen, die im Rahmen der sogenannten Kameradschaftsabende für die Lagerinsassen aufgeführt wurden. Die Revuen mit Titeln wie „Die verlorene Essensmarke" oder „Alles geht" waren nach Berichten von Zeitzeugen politisch ausgerichtet, wagten sogar Kritik an Missständen im Lager und griffen die nationalsozialistische Ideologie und Rassentheorie an. Von der Lagerleitung dennoch als „Strategie der Aufmunterung" geduldet stärkten sie zugleich den Überlebenswillen der im Ghetto lebenden Männer, Frauen und Kinder. 

Bekannt wurde Švenk nicht zuletzt durch den von ihm komponierten „Theresienstadt-Marsch", der zur heimlichen „Lagerhymne" wurde. Wo es heißt: „Vsechno jde, kdyz se chce, za ruce se vezmeme: Ja, ty, on, my – vsichni budeme se smat, übersetzt etwa: Alles geht, wenn man nur will, wir fassen uns bei den Händen: Ich, du, er, wir und lachen zusammen. Anfang Oktober wurde Karel Švenk zunächst nach Auschwitz deportiert, von dort sollte er kurz vor Kriegsende im Frühjahr 1945 nach Mauthausen gebracht werden. Auf diesem Transport verstarb Švenk im Alter von gerade 28 Jahren.

Das Thema „Kabarett im KZ" hat die Autorin und Regisseurin Sibylle Schönemann gefangen genommen und zu einem Film animiert. In ihrem 1997 entstandenen filmischen Dokument zeichnet sie nach, wie drei Frauen nach Theresienstadt gehen und sich dort auf die Suche nach Spuren des Kabarettisten, Pianisten, Komponisten, Dichters und Sängers Karel Švenk machen. Zu Beginn hatten sie nicht viel Material: Ein Foto, einige Texte und 58 Sekunden Film einer riskanten Kabarettnummer. Sie sprachen mit Menschen, die das Grauen überlebt haben, rekonstruierten so Svenks Biographie und hoben damit zugleich die Anonymität eines millionenfachen Todes auf.

Victoria im Dokumentarfilm Diese Tage in Terezin

Sibylle Schönemann hat selbst Diktatur-Erfahrungen unter einem kommunistischen Regime gemacht. Sie wurde 1953 in Ost-Berlin geboren. Zu DDR-Zeiten arbeitete sie in den 70er Jahren zunächst als Regieassistentin im DEFA-Studio für Spielfilme, später studierte sie Regie an der Filmhochschule Potsdam-Babelsberg. Von 1980 bis 1984 war sie Regieassistentin und Dramaturgin im DEFA-Studio für Spielfilme. Dann wurde sie von der Staatssicherheit in Haft genommen. Allerdings konnte sie 1985 von der Bundesregierung als politscher Häftling freigekauft werden. Sie war danach zunächst in Hamburg als Filmdramaturgin tätig. Heute lebt und arbeitet sie als freie Autorin und Filmemacherin in Berlin. Frau Schönemann ist am heutigen Abend anwesend und wir begrüßen Sie herzlich bei uns.
Zugleich freuen wir uns, dass heute Abend Zuzana Lapčíková mit ihrem Sextett bei uns zu Gast ist. Sie gehört seit Jahren zu den bedeutendsten Musikerinnen in Tschechien. Wir freuen uns auf die Arrangements, die sie gemeinsam mit ihren ausgezeichneten Musiker-Kollegen für den heutigen Abend vorbereitet hat.